Aktuelles aus Reichenbach
Haushaltsreden anlässlich der Einbringung des Haushaltsplans 2025 im Gemeinderat am 10. Dezember 2024
Erstelldatum13.12.2024
Haushaltsrede Bürgermeister Bernhard Richter
Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats, liebe Bürgerinnen und Bürger von Reichenbach,
die aktuelle politische Situation hat sich vor einigen Wochen dramatisch geändert.
In den USA wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt, wo noch nicht eingeschätzt werden kann, wie sich das auf Deutschland, die Wirtschaft und die EU auswirkt.
Am gleichen Tag ist die Ampel geplatzt – was für ein politisches Beben.
Vor ein paar Tagen gab es eine Revolution in Syrien – auch hier ist im Moment völlig unklar, wie es jetzt weitergeht.
Insoweit ist die Zukunft unseres Landes und auch die wirtschaftliche Situation unklarer denn je.
Das macht es uns nicht gerade einfacher, in ohnehin schweren Zeiten, die Weichen richtigzustellen.
Dazu kommt eine kränkelnde Wirtschaft, die die Steuerquellen nicht mehr sprudeln lässt.
Mittlerweile ist klar: Die kommunale Familie kann die Vielzahl der an uns gestellten Aufgaben, Standards und Bürokratieanforderungen nicht mehr erfüllen. Dies liegt nicht am mangelnden Willen, sondern an den nicht vorhandenen, dafür notwendigen finanziellen Mitteln.
Die immer größer werdende Überregulierung durch Standards und die ständig neu hinzukommenden Rechtsansprüche gefährden damit das Gelingen unseres Staates.
Die kommunalen Spitzenverbände fordern seit vielen Jahren ein Umdenken in der Politik – ein Besinnen auf das Wesentliche und eine Politik, die sich an den Realitäten orientiert – nichts davon ist eingetreten.
Niemand will offensichtlich zur Kenntnis nehmen, dass der Staat überlastet ist.
Das Gelingen unserer Demokratie ist damit massiv unter Druck geraten – bei jeder Wahl können wir das hautnah miterleben.
Ende Oktober gab es eine gemeinsame Presseerklärung von Gemeinde-, Städte- und Landkreistag:
„Die Haushaltslage der Städte, Gemeinden und Landkreise befindet sich bereits im Jahr 2024 in einer beispiellosen Abwärtsspirale, die im Jahr 2025 nochmals deutlich an Dynamik zulegen wird. Schon zur Jahreshälfte 2024 hat das Statistische Landesamt in seinen Eckdaten eine Verschlechterung der kommunalen Haushaltslage in Baden-Württemberg um 1,6 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen.
Insgesamt bestand zum 30. Juni 2024 ein negativer Finanzierungssaldo von rund 2 Mrd. Euro. Das ist ein alarmierender Wert, der zeigt, dass die Kommunalfinanzen in Baden-Württemberg binnen kürzester Zeit in eine massive Schieflage geraten sind.“
Und weiter:
„Diese Entwicklung zeigt, wovor wir als Kommunen schon lange warnen. Durch das Verankern immer neuer Aufgaben gibt es zwischenzeitlich ein gesamtstaatliches Leistungsversprechen, das sich faktisch nicht mehr finanzieren lässt. Viele dieser neuen oder ausgeweiteten Aufgaben wurden auf die Kommunen übertragen und reißen dort immer größere Haushaltslücken.
Die Finanzierung des ÖPNV, die kommunale Ausfallbürgschaft für ein hochdefizitäres Krankenhauswesen oder bei der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen, die unzureichende Beteiligung von Bund und Land an den Geflüchtetenkosten sowie die Erfüllung von Rechtsansprüchen in Kita und Grundschule sind einige der großen Themen, die zu dieser dramatischen Entwicklung beitragen.“
Das sind genau die Themen, die uns hier auf kommunaler Ebene treffen!
Auf der einen Seite stehen wichtige Aufgaben und Weichenstellungen – auf der anderen Seite brechen uns gerade die Finanzen weg.
Mit den Restarbeiten bei Sporthalle und Mensa, der Freiflächenentwicklung im Schul- und Sportcampus, der weiteren Schulentwicklung, dem Umzug der Bücherei ins Zentrum, der Neugestaltung der Hauptstraße, der Renaturierung von Lützelbach und Reichenbach und dem Neubau eines Kinderhauses haben wir wahrlich einiges vor der Brust.
Wir werden mutig vorangehen, so viele Fördermittel wie möglich abgreifen und auch weiter nach Einsparpotenzialen suchen.
Zugutekommt uns, dass wir jetzt jahrelang Überschüsse erwirtschaftet haben und damit über Rücklagen verfügen – davon werden wir zehren.
Nichtsdestotrotz müssen sich die finanziellen Rahmenbedingungen schnell verändern – sonst droht den kommunalen Haushalten der Kollaps.
Jedenfalls werden wir in absehbarer Zeit keine Mittel für „Wünsche“ haben, vielmehr werden wir uns auf unsere Pflichtaufgaben konzentrieren.
Ein turbulentes Jahr geht nun zu Ende. Ich darf mich bei allen bedanken, die sich konstruktiv eingebracht haben und immer wieder mithelfen, dass wir in Reichenbach vorwärtskommen.
Auch allen ehrenamtlich Tätigen in unserer Gemeinde gilt mein ganz besonderer Dank – Sie alle machen Reichenbach liebens- und lebenswert.
Mein abschließender Dank gilt dem Team der Kämmerei für die Aufstellung des Haushaltsplans mit all seinen komplexen Facetten.
Den Haushaltsberatungen wünsche ich einen guten Verlauf, Ihnen allen besinnliche Weihnachtsfeiertage und für 2025 alles Gute und viel Erfolg
Haushaltsrede Kämmerin Sabine Kobarg
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
um die Haushaltsrede im Sinne von Herrn Steiger fortzuführen: „Nur eine Haushaltsrede mit Zitaten ist eine gute Haushaltsrede.“ Für das Haushaltsjahr 2025 habe ich, gemäß langer Tradition, folgendes Zitat gewählt, das die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte treffend zusammenfasst:
„Finanzpolitik ist der hartnäckig unternommene Versuch, aus einer Ein-Liter-Flasche zwei Liter auszuschenken.“
Manfred Rommel, deutscher Politiker
Das Haushaltsjahr 2025 wird, sowohl aus finanzieller als auch aus gesellschaftlicher Sicht, erneut eine große Herausforderung darstellen. Eine Krise wird von der nächsten abgelöst. Neben den nach wie vor spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukrainekriegs sowie der Nahost-Krise müssen wir uns auch mit den Folgen der gescheiterten Ampelkoalition im November 2024 auseinandersetzen. Infolgedessen wurde der Bundeshaushalt 2025 noch nicht verabschiedet, und sämtliche Ausgaben stehen unter Vorbehalt. Die Verabschiedung neuer Gesetze und Förderprogramme wird erst mit einer neuen Bundesregierung erfolgen, wodurch auch die finanziellen Unsicherheiten in den kommenden Monaten bestehen bleiben werden.
Aktuelle wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Bevor ich jedoch auf den Haushaltsentwurf 2025 eingehe, möchte ich einen kurzen Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werfen:
Laut der 167. Steuerschätzung im Oktober 2024 entwickeln sich die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen mit einem Gesamtvolumen von 941 Mrd. € schlechter als noch in der Mai-Schätzung erwartet. Der Abwärtstrend bei den Steuerschätzungen setzt sich weiter fort.
Die konjunkturelle Lage hat sich 2024 weiter verschlechtert. Die Wirtschaftsweisen haben ihre Wachstumsprognose für 2025 auf nur noch 0,4 % gesenkt, nachdem sie im Mai 2024 noch ein Wachstum von 0,9 % prognostiziert hatten. Für 2024 wird ein Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,1 % erwartet. Die Produktion und Wertschöpfung in der Industrie gehen zurück, und auch die erhoffte Erholung der Weltwirtschaft bleibt aus. Der private Konsum bleibt, trotz gestiegener Reallöhne, hinter den Erwartungen zurück.
Zentrale Herausforderungen für die Kommunen
Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), erklärte in seiner Stellungnahme zur Herbststeuerschätzung, dass „die veröffentlichten Zahlen der Steuerschätzung erwartungsgemäß ernüchternd sind. Die finanzielle Lage in den Städten und Gemeinden ist so angespannt ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr“. Besonders die prognostizierten kommunalen Steuereinnahmen sind um 2,7 Mrd. € schlechter als in der Mai-Schätzung. Doch auch wenn die Steuereinnahmen sinken, bleibt festzuhalten: Deutschland hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Dies gilt für alle staatlichen Ebenen, wenngleich die Kommunen hier kaum eigenen Handlungsspielraum zur Kostenreduzierung haben. Zum einen sind daher ein Aufgabenmoratorium und eine echte Konnexität, die kostenintensive Standardanpassungen sowie Erweiterungen bestehender Aufgaben umfasst, dringend notwendig, um die Kommunen strukturell zu entlasten. Um kommunale Handlungs- und Investitionsfähigkeit wieder herzustellen, ist zum anderen eine Erhöhung der gemeindlichen Anteile an den Gemeinschaftssteuern dringend geboten“, so Berghegger. „Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen gefährdet massiv die wirtschaftliche Prosperität sowie zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt. Die Finanzlage der Kommunen ist demokratiegefährdend. Wenn Bund und Länder nicht gegensteuern, gerät die kommunale Selbstverwaltung und damit die lokale Demokratie insgesamt in ernste Gefahr“, so Berghegger abschließend.
Haushalt 2025
Der Haushalt des Jahres 2025 weist einen dramatischen Fehlbetrag von fast 4 Mio. € aus. Dies liegt zum einen an den gestiegenen Kosten aus dem Finanzausgleich, der uns aufgrund des guten Steuerjahrs 2023 in 2025 geringere Zuweisungen und erhöhte Umlagen beschert. Hier haben wir im Vergleich zu 2023 einen Unterschied von knapp 2 Mio. € zu verzeichnen. Zum anderen sind die Auswirkungen des Zensus 2022 für Reichenbach sehr deutlich spürbar. Durch die dort ermittelte geringere Einwohnerzahl ergeben sich allein für das Jahr 2025 Einnahmeausfälle im Finanzausgleich von mehr als 400.000 €. Auf den Finanzplanzeitraum 2025 bis 2028 gerechnet, kommen hier Verluste von knapp 1,4 Mio. € auf die Gemeinde zu.
Der Ergebnishaushalt für 2025 weist ein Defizit von 3,91 Mio. € aus – ein Rekord im negativen Sinne. Die Erträge gehen insbesondere im Bereich der Zuweisungen und Umlagen zurück, während die Aufwendungen, etwa durch gestiegene Umlagen und Personalkosten, um rund 2,4 Mio. € ansteigen. Zudem steigen auch die Abschreibungen von 1,6 Mio. € auf 1,9 Mio. €.
Die Gewerbesteuereinnahmen entwickeln sich in den einzelnen Kommunen stark unterschiedlich, was sehr von der Struktur der Gewerbebetriebe abhängig ist. Mit der in Planung befindlichen Gewerbegebiete „Talbach“ und „Filsstraße“ kann sich durch Ansiedlung von Zukunftstechnologien der Branchenmix in der Gemeinde erweitern. Für das Jahr 2025 wird mit Gewerbesteuereinnahmen von 3,4 Mio. € gerechnet.
Dank des positiven Ergebnisses von 2023 (2,7 Mio. €) konnten die Ergebnisrücklagen auf etwa 25 Mio. € anwachsen. Diese Rücklagen werden nun jedoch im Finanzplanungszeitraum 2025 bis 2028 zunehmend in Anspruch genommen. Aus jetziger Sicht kann der Ergebnishaushalt bis einschließlich 2028 nicht ausgeglichen werden, so dass die Rücklagen auf einen Wert von ca. 17 Mio. € sinken.
Investitionen und Finanzierung
Die Liquidität im Finanzhaushalt kann nur durch Kreditaufnahmen sichergestellt werden. Aus dem Ergebnishaushalt ist in 2025 mit keinem Finanzierungsüberschuss zu rechnen. Es wird im Gegenteil ein Zahlungsmittelbedarf aus laufender Verwaltungstätigkeit von knapp 2,4 Mio. € erwartet.
Die Auszahlungen aus dem Investitionsbereich lassen in 2025 kurz Zeit zum „Luft holen“. So sind die Investitionsauszahlungen im Vergleich zu 2024 und weiter 2026 mit 6,6 Mio. € vergleichsweise gering. Dies liegt vor allem an der bereits finanzierten Maßnahme des Neubaus der Sporthalle. Das Kinderhaus in der Ortsmitte ist für 2025 noch in der Planungsphase, so dass hier die Investitionsauszahlungen erst in den folgenden Jahren anfallen. Dennoch wird zur Deckung der Liquidität ein Kredit in Höhe von 4 Mio. € benötigt. Weiter werden Finanzanlagen in Höhe von 5 Mio. € zurückgeführt, um die Liquidität zu sichern.
Schwerpunkt der Investitionen liegt auch in diesem Jahr bei den Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 5,9 Mio. €. Die größten Investitionen betreffen in diesem Jahr in der Neugestaltung des Schul- und Sportcampus einschließlich der Renaturierung des Lützelbachs, die Neugestaltung der Hauptstraße sowie den Neubau des Kinderhauses in der Ortsmitte und der Neuplanung der Mediathek in der Ortsmitte.
Zur Finanzierung der Investitionen wird mit Zuschüssen von 280.000 €, vor allem im Gewässerbereich, gerechnet. Mit den Einzahlungen aus Investitionstätigkeit über 5,38 Mio. € und einer Kreditaufnahme über 4 Mio. € kann die Liquidität voraussichtlich gehalten werden, so dass am Jahresende 2025 ein Finanzmittelbestand von 1,23 Mio. € geplant ist.
Im Vorbericht zum Haushaltsplan 2025 sind detaillierte Angaben zu den Zahlen des Ergebnis- und Finanzhaushaltes enthalten. Ebenso eine Übersicht über die Finanzkennzahlen.
Zukunftsperspektive und Konsolidierung
Die Gemeinde Reichenbach hat in den letzten Jahren eine solide Haushaltswirtschaft betrieben, sodass die negativen Ergebnisse der Jahre 2020, 2021 und 2024 durch Rücklagen ausgeglichen werden können, ohne in bestehende Leistungen eingreifen zu müssen. Wichtige Investitionen wurden realisiert und die Entwicklung der Gemeinde vorangetrieben. Um jedoch ein dauerhaft strukturelles Defizit zu verhindern, muss die Konsolidierung des Haushalts weiterhin strategisch erfolgen. Dies bedeutet, dass die Gemeinde immer wieder ihre Aufgaben priorisieren und wirtschaftlich durchdenken muss.
Die Verwaltung hat mit diesem Haushaltsplan die gesamte Aufgabenerfüllung der Gemeinde dargestellt. Der Gemeinderat hat nun die Aufgabe, zusammen mit der Verwaltung, einen Prioritätenkatalog zu entwickeln, der realistische Ziele und die dafür notwendigen Budgets umfasst.
Schlusswort
Abschließend möchte ich mich bei allen Mitarbeitern der Verwaltung, insbesondere bei Herrn Tegel, für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Aufstellung dieses Haushaltsplans bedanken.
Ich weise jedoch darauf hin, dass ein sorgfältig aufgestellter Haushaltsplan nie alle Risiken und Unsicherheiten vollständig ausschließen kann. Die Finanz- und Haushaltspolitik ist stets Veränderungen unterworfen. Es wird weiterhin notwendig sein, gegebenenfalls eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren.
Kompromisse müssen in allen Bereichen eingegangen werden, da auch in absehbarer Zukunft nicht für alle berechtigten Wünsche entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stehen werden. Dennoch hat die Gemeinde Reichenbach auch in schwierigen Zeiten notwendige Investitionen und Unterhaltungsmaßnahmen umgesetzt.
Ich wünsche uns allen für die anstehenden Haushaltsberatungen einen erfolgreichen und konstruktiven Verlauf.